22.11.2011
Afghanistan-Krieg wird bis 2024 verlängert!
Proteste gegen Petersberg-II unterstützen!
von Uli Cremer und Wilhelm Achelpöhler
Anfang Dezember soll wieder einmal eine Afghanistan-Konferenz
in Bonn stattfinden. Laut Auswärtigem Amt ist das Ziel,
„gemeinsam mit Afghanistan das langfristige gemeinsame
Engagement der internationalen Gemeinschaft zu konkretisieren
und den weiteren politischen Prozess im Land zu befördern.
Auf dem NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010 hatte die
afghanische Regierung die Bundesregierung gebeten, eine Außenministerkonferenz
unter afghanischer Leitung durchzuführen.“
In Bonn werden keine Waffenstillstands- oder Friedensverhandlungen
geführt. Es sitzt nur eine Kriegspartei am Tisch. Die
Aufständischen sind an der Konferenz nicht beteiligt.
Insofern ist nicht erkennbar, was die Konferenz für einen
Beitrag zur Beendigung des Krieges leisten soll.
Seit einiger Zeit wird innerhalb der NATO-Staatengemeinschaft
über einen Truppenabzug geredet. Die dafür immer
wieder vorgetragene Voraussetzung, die „Übergabe
der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung“
ist nicht gegeben. Die von der NATO in der letzten Zeit veröffentlichten
Erfolgszahlen über den Aufwuchs der afghanischen Polizei
und Armee sind Potemkinsche Dörfer. In Wirklichkeit gelingt
es angesichts der Verluste im Bürgerkrieg, den Desertationen
und den zeitweisen Abwesenheiten kaum die Präsenzstärken
der Sicherheitskräfte aufrecht zu erhalten. Die Afghanisierung
des Krieges wird vermutlich genau so wenig gelingen wie die
Vietnamisierung des Vietnam-Krieges durch die USA in den 1970er
Jahren.
Zwar werden in Bonn keine militärischen Details verhandelt,
sondern das „Zivile“ nach vorne gestellt. Ein
Blick in die gültige NATO-Strategie von 2010 zeigt, dass
es das „Zivile“ autonom nicht gibt. Vielmehr geht
es der NATO um Aufstandsbekämpfung oder auch „counterinsurgency“,
einer intensiven zivil-militärischen Zusammenarbeit.
NGOs und staatliche zivile Organisationen werden in diese
zivil-militärischen Konzeptionen der Aufstandsbekämpfung
eingebunden . Diese Instrumentalisierung von NGO’s und
zivilen Organisationen macht diese zu Zielen der Aufständischen.
Auch hierzulande werden NGO’s und zivile Organisationen
für die Kriegspolitik instrumentalisiert, dient doch
der Krieg angeblich dem Schutz der „zivilen Hilfe.“
Auch nach 10 Jahren wird der Afghanistan-Krieg weiter auf
hohem Niveau geführt. Indikator dafür ist, dass
im Jahre 2011 bereits Mitte November mehr westliche Soldaten
getötet wurden als im Jahr 2009 (bis 22.11.: 534), als
die NATO ihre Truppenzahl auf über 130.000 reguläre
Soldaten erhöhte. Darin sind Söldner und unter anderen
Mandaten operierende US-Soldaten noch gar nicht mitgezählt.
Die Bundesregierung hat jüngst bekannt gegeben, dass
sie das Bundeswehr-Kontingent in Afghanistan tatsächlich
wieder etwas reduzieren will: 100 Soldaten will sie 2012 zurückzuholen,
nicht 500, wie Minister de Maizière behauptet. Denn
zur Zeit sind laut NATO-Angaben 5.000 Bundeswehr-Soldaten
in Afghanistan stationiert. Die Obergrenze soll im 2012 geltenden
Mandat laut de Maizière auf 4.900 Soldaten sinken.
Aber: Damit läge die Zahl immer noch weit über der
2009 geltenden Obergrenze von 4.500. Für 2013 ist angekündigt,
auf 4.400 abzusenken. Aber für diesen Schritt wie für
darüber hinaus gehende Abzugspläne gilt: Die Fußnote
hat sich nicht geändert; weiterer Abzug nur, „wenn
es die Lage erlaubt“. Wenn der Abzug in 500er Schritten
weiter ginge, würde es noch weitere 9 Jahre (also bis
2022) dauern, bis alle Bundeswehr-Soldaten abgezogen wären.
Kein Geheimnis, sondern Fakt ist, dass die NATO-Staaten sowieso
auch nach 2014 in Afghanistan militärisch präsent
bleiben wollen, insofern ist das Abzugsdatum 2014 eine reine
Nebelkerze. Dann heißen die Kampftruppen „Ausbilder“.
Gerade hat die vom Regime Karsai einseitig besetzte Lorga
Dschirga den Vorschlag für die Stationierung von 25.000
US-Truppen bis zum Jahre 2024 unterstützt. Das ist eine
Laufzeitverlängerung für den Afghanistan-Krieg um
weitere 10 Jahre. Abzug sieht anders aus. Die zusätzliche
Botschaft eines solchen Stationierungsabkommens ist, dass
Waffenstillstands- bzw. Friedensverhandlungen mit den Aufständischen
nicht gewollt sind, denn diese fordern genau einen Abzug der
fremden Truppen.
Aus militärstrategischen Gründen ist auch kaum
zu erwarten, dass die Bundeswehr-Einheiten nach 2014 das Land
verlassen werden. Denn Nordafghanistan, also dort, wo die
Bundeswehr eingesetzt ist, ist strategisch wichtig, da wegen
der Unsicherheit der pakistanischen Routen der NATO-Nachschub
zunehmend – wie bei der Roten Armee in den 80er Jahren
– über Usbekistan und den Norden läuft. Zu
diesem Zweck wurde in 2011 eine entsprechende Eisenbahnstrecke
nach Mazar-e-Sharif fertig gestellt. Der Abzug der Bundeswehr
würde eine militärische Lücke reißen.
Umgekehrt wird sich die Bundesregierung die Chance nicht entgehen
lassen, einen wichtigen Kriegsbeitrag zu leisten, um das eigene
politische Gewicht und den Einfluss in der NATO zu erhöhen.
Einen Abzug der NATO aus Afghanistan wird es nur geben, wenn
die westlichen Gesellschaften entsprechend politischen Druck
ausüben. Deswegen unterstützen wir die von der Friedensbewegung
organisierten Proteste gegen Petersberg-II und haben den gemeinsamen
Aufruf unterschrieben. Wir freuen uns, dass der GRÜNE
MdB Christian Ströbele auf der Abschlusskundgebung am
3.12. in Bonn reden wird und rufen alle GRÜNEN Parteimitglieder
auf, an den Protesten teilzunehmen!
http://www.afghanistanprotest.de/
Kontakt:
Uli Cremer 0160 / 81 21 622
cremer@gruene-friedensinitiative.de
Wilhelm Achelpöhler 0171 / 17 17 392
achelpoehler@gruene-friedensinitiative.de
|