Hamburg/Münster 02.Juli
2009
Friedenspolitischer Rückschlag: Mehrheit der Grünen
Bundestagsfraktion segnet AWACS-Einsatz ab
Zu der für heute Abend vorgesehenen Entscheidung des
Bundestages über die Entsendung von NATO AWACS Flugzeugen
nach Afghanistan erklärt die Grüne Friedensinitiative:
die Debatte über die NATO AWACS ist dadurch gekennzeichnet,
dass sie nicht stattgefunden hat. Bundesregierung und weite
Teile der Opposition gingen jeder öffentlichen Auseinandersetzung
aus dem Weg und verharmlosten den Einsatz als bloße
Maßnahme der zivilen Flugsicherheit. Den Schlusspunkt
findet diese Nicht-Debatte in der Ansetzung der Bundestagsabstimmung
in den Abendstunden - jenseits des Redaktionsschlusses der
Presse.
Die Grüne Friedensinitiative kritisiert, dass die Mehrheit
der Grünen Bundestagsfraktion heute für den Antrag
der Bundesregierung auf Entsendung der NATO AWACS Flugzeuge
mit weiteren 300 deutschen Soldaten zustimmt. Damit erleiden
die zaghaften Absatzbewegungen weg von der Unterstützung
des Afghanistan-Krieges durch die GRÜNEN seit dem Sonderparteitag
2007 einen schweren Rückschlag.
Der AWACS Einsatz steht für die intensivierte Einbindung
der Bundeswehr in den von der NATO im Rahmen von ISAF in
ganz Afghanistan geführten Krieg.
Mancher Grüner Fachpolitiker schätzte im Sommer
2008 noch ein, dass die AWACS „ein Beitrag zu weiterer
Eskalation, mehr Luftangriffen und Zivilopfern“ wären.
Heute soll das nicht mehr gelten, denn die US-Regierung habe
in ihrer Afghanistan-Politik einen Strategiewechsel eingeleitet,
sich geradezu auf Grüne Position hinbewegt.
Der US-Präsident definierte das Ziel für den Afghanistan-Krieg
am 27.3.09 so: „Ich möchte, dass die Amerikaner
verstehen, dass wir ein klares und scharf umrissenes Ziel
haben: die Al Kaida in Pakistan und Afghanistan zu behindern,
zu zerschlagen und zu besiegen und ihre Rückkehr in
beide Länder in Zukunft zu verhindern. Dieses Ziel muss
erreicht werden.“ Das ist eine wenig verklausulierte
Absage an ehrgeizige Nation-Buildung-Pläne bzw. Regime
Change nicht nur in Kabul, sondern auch in der Lokalpolitik.
Für das Ziel werden weitere militärische wie auch
zivile Mittel mobilisiert.
Im Zentrum der „neuen“ Strategie steht wie in
den vergangenen Jahren die Erhöhung der militärischen
Dosis: 2009 stocken die USA ihre Truppenzahl um 30.000 zusätzliche
Soldaten auf. Ivo Daalder, neuer US-Botschafter bei der NATO,
konkretisierte den „Strategiewechsel“ für
Deutschland am 1.7.09 in Berlin: Aufstockung der Bundeswehr-Truppen
und eine stärkere Übernahme der finanziellen Lasten.
Die heute gegen Abend durch den Bundestag erfolgende Erhöhung
der in Afghanistan eingesetzten Bundeswehrsoldaten auf nunmehr
4.800 Soldaten bedeutet zwar gegenüber Sommer 2008 eine
Steigerung um 36%. Aber dabei wird es nicht bleiben. Es zeichnet
sich ab, dass nach den Bundestagswahlen die Truppenzahl weiter
angehoben wird. Will die Mehrheit der GRÜNEN Bundestagsabgeordneten
das auch mittragen?
Die westliche Truppenzahl wird sich im August 2009 auf über
100.000 (also das Niveau des sowjetischen Afghanistan-Krieges)
belaufen – die von den westlichen Staaten engagierten
Söldner noch nicht einmal eingerechnet. Mehr Soldaten
haben in den letzten Jahren zu mehr Kämpfen und mehr
Opfern geführt. Warum sollte es durch die aktuellen
Truppenverstärkungen anders kommen? Die Bodentruppen
werden für die zunehmenden Gefechte weiterhin Luftunterstützung
anfordern, denn welcher General wird die eigene Luftüberlegenheit
gegen die Aufständischen nicht nutzen wollen? Und selbstverständlich
wird es auch weiter erhebliche zivile Opfer dabei geben.
Diese werden auch auf Grund des NATO-AWACS-Einsatzes von
den deutschen BefürworterInnen des Afghanistan-Krieges
mitzuverantworten sein.
Mehr Gefechte führen also zu mehr militärischen
Flugbewegungen. Und deswegen hatten die NATO-Verteidigungsminister
im Juni den AWACS-Einsatz für notwendig befunden: Die
AWACS sollen die Luftbewegungen der verschiedenen Flugzeuge
koordinieren, die von den diversen Militärkräften
eingesetzt werden. Die Lufteinsätze von ISAF, OEF und
autonom agierenden US-amerikanischen Truppen können
so besser auf einander abgestimmt werden. Bei Angriffen werden
die AWACS insofern mit von der Partie sein, als sie dafür
sorgen, dass zivile Flugzeuge nicht im Weg sind, die Angriffe
somit ungestört und effektiver ablaufen können,
die Bomben also ihren Weg finden. Von Aufständischen
bedrängte Bodentruppen werden die AWACS außerdem
als Relaisstationen nutzen, als Ersatz für fehlenden
direkten Funkkontakt in unwegsamen Gelände.
Die Grüne Friedensinitiative dankt allen Abgeordneten,
die heute Rückgrat zeigen und gegen die weitere Intensivierung
des Afghanistan-Krieges stimmen.
Kontakt:
Uli Cremer 0160 / 81 21 622
cremer@gruene-friedensinitiative.de
Wilhelm Achelpöhler 0171 / 17 17 392
achelpoehler@gruene-friedensinitiative.de
|