Frankfurter
Rundschau, 13.04.2007
Beim Parteitag droht Ärger
Ostermärsche und Tornados heizen alte Debatte der Grünen
an
Die Friedenspolitik stiftet erheblichen Unfrieden bei den Grünen.
Vor ihrem kleinen Parteitag am Samstag ist die alte Kontroverse über
die Militäreinsätze im Ausland überraschend heftig
aufgebrochen.
Berlin - Von "großem Unmut" an der grünen
Basis, spricht der Exponent der Parteilinken, Fraktionsvize Hans-Christian
Ströbele. "Heftige Debatten" sieht auch Partei-Chefin
Claudia Roth auf die 80 Delegierten des "Länderrats" der
Grünen am Wochenende in Bremen zukommen. Darüber, dass "wir
einen Nerv getroffen haben" triumphiert hingegen der Münsteraner
Wilhelm Achelpöhler. Der Rechtsanwalt aus Nordrheinwestfalen
gründete über Ostern mit einem kleinen Kreis von Mitstreitern
eine "Grüne Friedensinitiative" - und schuf damit
ein provokantes Sammelbecken für das Gegrummel in den eigenen
Reihen über die Friedens- und Sicherheitspolitik.
Vor allem an zwei Punkten macht sich der Konflikt fest, der
nun - eher unplanmäßig - den kleinen Parteitag beschäftigen
wird. Zum einen regt sich vernehmlicher Ärger über
die ungewöhnlich scharfen Worte, mit denen sich Claudia
Roth und Sicherheitsexperte Winfried Nachtwei von Aufrufen zu
den traditionellen Ostermärschen abgegrenzt hatten. Als
zu "schwarz-weiß", zu undifferenziert hatten
sie die Appelle zurückgewiesen.
Diese Schelte teilen viele Grüne "in der Sache" -
nicht aber in der Form. Tatsächlich seien viele Ostermarsch-Aufrufe
holzschnittartig und einseitig Linkspartei-PDS-lastig gewesen. "Aber
man muss nicht unnötig Krach anfangen", meint etwa
Ströbele. "Wir können nicht jeden Mist unterschreiben,
aber wir dürfen die Diskussion mit der Friedensbewegung
nicht arrogant führen, sondern mit einer gewissen Demut
und Lernbereitschaft", meint auch der Bundestagsabgeordnete
Winfried Hermann. "Warum sollen wir eine Art von Pauschalkritik,
die auch unsere Politik denunziert, unwidersprochen lassen?",
hatten hingegen Roth und Nachwei gekontert und statt eines "Anbiederns" an
Teile der Friedensbewegung die "offene Auseinandersetzung" gefordert.
Weit mehr noch als die richtige Form im Umgang mit der Friedens-
und auch der Anti-Globalisierungsbewegung treibt die Grünen
jedoch die Sache selbst um. Um die Haltung zum Afghanistan-Einsatz
der Bundeswehr bahnt sich dabei ein heftiger Dauerstreit an,
der das Zeug zu einem Grundsatzkonflikt hat.
Junge und Altlinke sind verärgert
Dass die grüne Bundestagsfraktion kürzlich - wenn
auch nur mit hauchdünner Mehrheit - für die Entsendung
deutscher Tornados nach Afghanistans gestimmt hat, irritiert
und verärgert vor allem junge Grüne. Aber auch der
Altlinke Ströbele sieht darin einen glatten Verstoß gegen
einen Parteitagsbeschluss vom vergangenen Dezember.
Im Hintergrund schwelt dabei die Forderung, ein Konzept zum
Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu erarbeiten. Die Gründer
der neuen "Grünen Friedensinitiative" fordern
vehement eine solche "Exit-Strategie". Andere sind
vorsichtiger. "Es wäre sicher nicht klug, einfach zu
gehen", meint Pazifist Hermann. Dennoch solle die Partei über
einen "verantwortbaren Rückzug" reden. Dem widerspricht
der Bundesvorstand ausdrücklich: In einem Antrag für
den Länderrat plädiert die Parteispitze zwar für
einen Strategiewechsel am Hindukusch. Gerade den Grünen
aber mit ihrer "besonderen Verantwortung für Afghanistan" könne
es nicht um "eine Exit-, sondern um eine Erfolgsstrategie
gehen".
Vera Gaserow |