F.A.Z
„Friedensinitiative“
Grünen-Pazifisten gründen Flügel
Von Günter Bannas, Berlin
Gegenwind für Claudia Roth
11. April 2007
Wenige Tage vor dem Länderrat der Grünen in Bremen
ist innerhalb der Partei eine Gruppierung
gebildet worden, die der Parteispitze vorwirft, die
pazifistischen Strömungen und Grundüberzeugungen
verraten zu haben. Eine sogenannte „Grüne
Friedensinitiative“,
die am Ostermontag gegründet worden ist,
erhebt den Anspruch, das „bündnisgrüne friedenspolitische
Erbe“ bewahren zu wollen. Die „fortgesetzte Unterstützung
des Afghanistan-Krieges durch die Grünen“ habe
mit „Friedenspolitik“ wenig zu tun.
Der Gruppierung gehören mit Uli Cremer aus Hamburg sowie
Marianne Hürten aus Köln Grünen-Mitglieder
an, die schon zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung
und von Außenminister Fischer deren Politik
- vergeblich - bekämpft hatten. Nun forderten
sie, der Länderrat
dürfe sich nicht, wie das vorgesehen sei,
hinter den Afghanistan-Kurs der Nato stellen. Stattdessen
müsse es um einen Abzug der Nato aus Afghanistan
gehen. „
Wir brauchen keine militärische Nato-Frühjahrsoffensive.“
„Friedenspolitische Spielräume in der Regierung“
In einem Papier, das die Initiatoren der Gruppierung jetzt veröffentlichten,
heißt es, die „Friedenspolitik“ sei
viele Jahre Pfeiler der Politik der Grünen
und „Kernelement“ ihrer
politischen Identität gewesen. Die Grünen
hätten der „Friedensbewegung“ viel
zu verdanken. „Mit dem Eintritt in die rot-grüne
Koalition erodierten die friedenspolitischen Ansprüche
der Grünen substantiell.
So lange Entscheidungen, an Kriegen teilzunehmen,
nicht anstanden, war es leicht, gegen den Krieg zu sein. Als es darauf ankam, versagten die Grünen.“
Die Zustimmung der Grünen zum Kosovo-Krieg wird in dem Papier
als „Dammbruch“ bezeichnet. Auch hernach
seien vorhandene „
friedenspolitische Spielräume in der Regierung“ kaum
genutzt, sondern häufig verkleinert worden.
Die Vorwürfe der Gruppierung spiegeln Auseinandersetzungen
wider, die während der Osterfeiertage zwischen
Teilen der Parteiführung
und den Organisatoren der „Ostermärsche“ ausgetragen
worden waren. Die Grünen-Vorsitzende Claudia
Roth und der verteidigungspolitische Sprecher der
Bundestagsfraktion, Nachtwei, hatten in einer gemeinsamen Erklärung die
Kundgebungen zwar als eine immer noch „gute und wichtige Tradition“ bezeichnet.
Es bestehe auch Einvernehmen, „dass
Militär keine Konflikte lösen kann und
ein Krieg gegen Iran verhindert werden muss“.
Doch fügten sie an: „Gerade zu notorisch
wenig sagen die Aufrufe allerdings auch in diesem
Jahr dazu, wie internationale Krisen, Gewalt und
Krieg begegnet werden kann. Der Blick verengt sich zu oft allein auf die pauschale Ablehnung des Militärischen.“
Vorwurf: „Weitere Provokation“
Einige Aufrufe erweckten sogar „den Eindruck, als seien Bush-Administration,
die EU und bundesdeutsche Politik eine einzige ,Achse des
Bösen'“. Frau Roth und Nachtwei bezeichneten diese „
Schwarz-weiß-Sicht“ als falsch. „Friedenspolitik
heute braucht auch mehr neues Denken und Differenzierung“.
Sprecher der Ostermarsch-Organisatoren kritisierten
die Stellungnahme als „ü
berflüssig und an der Sache vorbei“. Die Grünen
verträten „
halbseidene und widersprüchliche Positionen“.
Die Jugendorganisation der Grünen warf der Parteivorsitzenden
eine „weitere Provokation“ vor. Der
stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende
Trittin warnte am Mittwoch im „Deutschlandfunk“ vor
pauschaler Kritik. Er erinnerte daran, Deutschland
und Frankreich hätten sich gegen den Irak-Krieg
gewendet. Auch „Pazifisten“ müssten „konkrete
Zusammenhänge
und konkrete Konflikte“ überprüfen,
sich aber „nicht
schlank davonmachen, nach dem Motto: ,Egal, was passiert, Hauptsache ich bin nicht dabei'“.
Text: F.A.Z. vom 12. April 2007
Bildmaterial: AP |