Das friedenspolitische Erbe der GRÜNEN
bewahren!
Bündnisgrüne Friedenspolitik erneuern!
Friedenspolitik war viele Jahre Grundpfeiler der Politik
der Grünen und Kernelement grüner politischer Identität.
Sie hat zu unseren Wahlerfolgen entscheidend beigetragen.
Der Friedensbewegung verdankt die Grüne Partei viel.
In der alten Bundesrepublik gelang 1983 der Einzug in den
Bundestag, weil die Grünen damals Sprachrohr und glaubwürdiger
Repräsentant der Friedensbewegung waren, die sich vorrangig
gegen die Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Westeuropa
richtete. Namen wie Petra Kelly standen für Abrüstung,
Gewaltfreiheit und pazifistische Ideale. Von den friedenspolitischen
Konzepten, die die GRÜNEN (weiter-)entwickelten, gingen
wichtige Impulse in die Gesellschaft aus. Grüne Programme
forderten einseitige Abrüstungsschritte, den Austritt
aus der NATO und den Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz aufzunehmen.
Bis weit in die 90er Jahre traten die GRÜNEN, mittlerweile
als Bündnis90/Die Grünen gesamtdeutsch aufgestellt
und das Erbe der gewaltfreien Revolution aufgreifend, der
Neuausrichtung von NATO und Bundeswehr entgegen.
Neue zivile Alternativen zur militärgestützten
„Sicherheits“politik wurden entwickelt und als
grünes Alleinstellungsmerkmal gegenüber einem einseitig
militärfixierten Mainstream verteidigt. Gleichzeitig
entfernte sich die Bundestagsfraktion jedoch immer weiter
von den friedenspolitischen Beschlüssen der Partei, denn
die personellen Entscheidungen bei der Aufstellung der BundestagskandidatInnen
reflektierten die friedenspolitischen Positionen kaum. Aber
selbst beim letzten Parteitag vor den Bundestagswahlen 1998
in Magdeburg hielt die friedenspolitische Mehrheit in der
Partei noch, wenn auch hauchdünn mit eine Stimme. Im
Wahlprogramm 1998 lehnten die Grünen die Umstrukturierung
der Bundeswehr zu einer internationalen Interventionsarmee
ab, forderten die Auflösung der „Krisenreaktionskräfte“
und des „Kommando Spezialkräfte” (KSK) und
erklärten: „Militärische Friedenserzwingung
und Kampfeinsätze lehnen wir ab.“ Auf eine „langfristig
angelegte antimilitaristische Strategie“ wurde verwiesen
und erklärt, dass „eine grundlegende Neuorientierung
der Sicherheitspolitik ein langfristiges Projekt darstellt,
das weit über den Horizont einer Regierungsperiode hinausweist“.
Versagen im Ernstfall
Mit dem Eintritt in die rotgrüne Koalition erodierten
die friedenspolitischen Ansprüche der GRÜNEN substantiell.
Solange Entscheidungen, an Kriegen teilzunehmen nicht anstanden,
war es leicht, gegen den Krieg zu sein. Als es darauf ankam,
versagten die GRÜNEN.
Als entscheidender Dammbruch erwies sich die Zustimmung der
Partei zum Kosovo-Krieg, dem ersten Angriffskrieg in der Geschichte
der NATO, der ausdrücklich ohne UN-Mandat erfolgte, mithin
gegen das geltende Völkerrecht verstieß. Nach diesem
Sündenfall waren weitere Fehlentwicklungen programmiert.
Die Zustimmung zum nächsten völkerrechtswidrigen
Krieg (Operation Enduring Freedom in Afghanistan) ließ
nicht lange auf sich warten. Die Auswirkung auf die GRÜNE
Partei waren mehrere Tausend Austritte von vielfach sehr aktiven
Parteimitgliedern und im weiteren Verlauf programmatische
Änderungen.
Die zweifelsfrei vorhandenen friedenspolitischen Spielräume
in der Regierung wurden nicht nur kaum genutzt, sondern oftmals
aktiv verkleinert. Der politischen Ablehnung des Irak-Krieges
oder Akzenten im Bereich nicht-militärischer Alternativen
(Ziviler Friedensdienst, Bundesstiftung Friedensforschung
oder Teile des Aktionsplans „Zivile Krisenprävention“)
stehen verheerende militärpolitische Weichenstellungen
gegenüber.
Die GRÜNEN trieben in den Regierungsjahren den zielstrebigen
Ausbau der Bundeswehr zu einer angriffsfähigen Armee
voran. Der Ruf nach einer Berufsarmee verbindet sich entsprechend
heute mit dem Streben nach einer möglichst effektiven
Interventionsarmee, die Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht
wurde aus ihren antimilitaristischen Kontext gelöst.
Die Kriegsteilnahmen gingen mit der Entwicklung und Beschaffung
neuer Angriffswaffen einher. Dabei erwiesen sich die entsprechenden
deutschen bzw. europäischen Waffen in den Jahren GRÜNER
Regierungsbeteiligung immer mehr als Exportschlager.
Bittere Bilanz und neue militärische Ambitionen
Angetreten, in der Regierungsverantwortung eine „Militärmacht
EU“ zu verhindern, unterstützten die GRÜNEN
den Aufbau einer eigenständigen EU-Interventionstruppe
aus nationalen und internationalen Komponenten, in dessen
Verlauf die Lücken in den strategischen militärischen
Fähigkeiten Lufttransport und Spionagesatelliten-System
nach und nach geschlossen wurden. Der Ruf nach der Schaffung
einer zentralisierten EU-Armee ist heute nicht nur aus dem
Bundeskanzleramt, sondern auch von prominenten GRÜNEN
MandatsträgerInnen zu hören. All diese Maßnahmen
dienen der offen proklamierten Perspektive, die EU zur „Weltmacht“
zu entwickeln, die Militärinterventionen autonom, also
ohne die USA durchführen kann.
Nach sieben Jahren Regierungsbeteiligung ist keines der vier
grünen Prinzipien „ökologisch, sozial, basisdemokratisch,
gewaltfrei“ so beschädigt worden, wie der friedenspolitische
Grundpfeiler. Wieder in der Opposition haben sich Positionen
der GRÜNEN zu den laufenden Kriegseinsätzen wenig
verändert. Weitere militärische Abenteuer werden
unterstützt (z.B. im März 2007 die Aufstockung der
Afghanistan-Truppe). Das GRÜNE friedenspolitische Erbe
droht, endgültig verspielt zu werden.
Natürlich hat sich die Verabschiedung der GRÜNEN
von ihren friedenspolitischen Idealen im Kontext dramatischer
weltpolitischer Veränderungen vollzogen. Die sicherheitspolitische
Situation ist gegenüber den 80er Jahren völlig verändert:
An der Wiege der Grünen stand eine Friedensbewegung,
die sich in erster Linie gegen die Stationierung atomarer
US-Mittelstreckenraketen in Europa richtete. Dabei handelte
es sich um Erstschlagswaffen, die einen Atomkrieg gegen die
Sowjetunion führbar und gewinnbar machen sollten. Die
Zweitschlagsfähigkeit des Gegners sollte durch die damaligen
US-Pläne für eine Raketenabwehr im Weltraum ausgeschaltet
werden. Auch die Rüstungsschritte der anderen Seite,
die nicht zuletzt die alte Bundesrepublik bedrohten, lehnte
die Friedensbewegung ab. Ihre Kraft entwickelte sie aus der
lebensgefährlichen Bedrohung, aus der eigenen Opferperspektive.
Deutschland und die Neue Nato
Nachdem Blockkonfrontation und Rüstungswettlauf zwischen
West und Ost Geschichte sind, wird Deutschland von keinem
Staat mehr bedroht. Die militärischen Ambitionen Deutschlands
sind jedoch gewachsen und reichen heute weit über Europa
bzw. das NATO-Gebiet hinaus: Deutschland wird am Hindukusch
verteidigt, lautet die Formel. Entsprechend hat sich die Friedensbewegung
aktuell gegen eigene deutsche Kriegsaktivitäten zu wenden,
die aus Deutschlands Streben nach “mehr Verantwortung”
im Rahmen des westlichen Weltordnungsregimes resultieren.
Aus der Bundeswehr ist eine "Armee im Einsatz"
geworden, die in vielen Teilen der Welt tätig ist. Was
1991 mit Minensuchboten im Mittelmeer und Sanitätssoldaten
in Kambodscha begann, manifestiert sich heute in den Kriegsschiffen
vor der Küste des Libanon ebenso wie in dem militärischen
Engagement auf dem Balkan, im Kongo oder in Afghanistan. Dabei
erfolgen die militärischen Einsätze stets im Team,
entweder im Rahmen der militarisierten EU oder der Neuen NATO.
Denn die Rolle der NATO hat sich geändert: Die meisten
mittel- und osteuropäischen Staaten traten der NATO bei,
die anderen (auch Russland) sind mit der NATO verbündet.
Die Beziehungen der NATO zu Japan, Südkorea, Australien
und Neuseeland werden vertieft, so dass sich eine „NATO-Ostasienerweiterung“
abzeichnet. Die Neue NATO ist ein offensiver Militärpakt
aus Nordstaaten, der sich gegen den Süden richtet und
in Afghanistan seinen ersten langwierigen Krieg (auch zu Lande)
führt.
Interessen und Strategie der USA
Heute sind die USA nicht nur NATO-Führungsmacht, sondern
die einzige verbliebene Weltmacht. Deren Hauptziel ist es
zu verhindern, dass ihr erneut ein mächtiger Rivale (wie
im Kalten Krieg die Sowjetunion) Grenzen setzt. Die militärische
Aufrüstung der USA hat nach dem 11.September 2001 einen
erheblichen Schub erhalten. Ihre Funktion liegt nicht so sehr
im viel beschworenen „Krieg gegen den Terror“,
sondern darin, die Welt nach den Interessen der USA zu gestalten
und auszurichten. Wer sich dem entgegen stellt, wird auf der
„Achse des Bösen“ verortet und muss im äußersten
Fall damit rechnen, mit einem Krieg überzogen zu werden.
Nicht jedes mal ist die NATO dabei die bündnispolitische
Plattform: Für die vom UN-Sicherheitsrat nicht legitimierten
Kriege in Afghanistan und im Irak setzte die US-Regierung
auf „Koalitionen der Willigen“, die die Einflussnahme
verbündeter Staaten auf ein Minimum reduziert.
Potentielle Rivalen sind nicht nur die aufstrebenden Mächte
Indien oder China, sondern nicht zuletzt die EU und Russland
bzw. ein Bündnis Beider. Die US-Planungen, Raketenabwehrsysteme
in Tschechien und Polen zu stationieren, sollen die Gräben
zwischen den kerneuropäischen EU-Ländern der Euro-Zone
(dem „alten Europa“) und dem „neuen Europa“
vertiefen und die Kooperation zwischen EU und Russland torpedieren.
An das geschichtliche Erbe und friedenspolitische Konzepte
anknüpfen
Die Grüne Friedensinitiative (GFI) möchte das friedenspolitische
Erbe bewahren, die zahlreichen innerhalb der GRÜNEN entstandenen
friedenspolitischen Ideen und Konzepte aufgreifen und weiterentwickeln.
Auch Konzepte anderer Strömungen sollen konstruktiv aufgenommen
werden. Die GFI verortet sich in der nach wie vor existierenden
deutschen Friedensbewegung, die gerade in diesen Tagen bundesweit
die Tradition der Ostermärsche fortführt.
Nicht alles muss neu erfunden werden. Nicht alle politischen
Konzepte aus den 80er Jahren sind falsch, weil seitdem 20
Jahre vergangen sind. Die gesellschaftlichen Debatten, die
2007 um die Klimakatastrophe geführt werden, zeigen die
Weitsichtigkeit der GRÜNEN Umweltpolitik der 80er Jahre.
Auch viele friedenspolitische Konzepte aus den vergangenen
Jahrzehnten sind brandaktuell:
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Es geht immer noch um die Grundausrichtung:
Soll Sicherheit gemeinsam mit anderen oder auf Kosten
anderer geschaffen werden? |
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Abrüstung gibt es nur, wenn jemand damit beginnt.
Kalkulierte einseitige Vorleistungen können eine
Abrüstungsdynamik in Gang setzen, weil Taten vertrauensbildender
sind als alle Worte. |
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Nicht-militärische Konfliktlösung gibt
es nicht zum Nulltarif. Jeder Euro (früher jede
D-Mark), der für das Militär ausgegeben wird,
fehlt bei Investitionen in zivile Alternativen, sei
es die Finanzierung von Entwicklungshilfe, des Zivilen
Friedensdienstes oder eines Sanktionshilfefonds. |
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Die Geschichte beweist, dass individuelle Kriegsdienstverweigerung
und Desertieren nicht nur oft höchsten persönlichen
Mut erfordern, sondern auch geeignete Mittel sind, militärischen
Abenteuern und Kriegen ein Ende zu setzen. In 2008 jährt
sich die Novemberrevolution das 80.Mal. Anlass genug
an die mutigen Kieler Matrosen zu erinnern, die den
Kriegsdienst verweigerten und den Ersten Weltkrieg beenden
halfen. |
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Die Kriegsdienstverweigerung vieler Staaten und Regierungen
hat zwar 2003 den Irak-Krieg nicht verhindern können,
ist aber der richtige Weg. Friedenspolitische Spielräume
werden nicht durch regierungsamtliches militärisches
Mitmachen vergrößert, sondern durch Absagen
an Kriege und konstruktive Friedensvorschläge. |
Dem Einschwenken der GRÜNEN auf militärpolitische
Positionen haben in der Vergangenheit immer wieder viele Parteimitglieder
ihren Widerstand entgegengesetzt. Die GRÜNE Anti-Kriegs-Initiative
mobilisierte 1999 große Teile der Partei gegen den Kosovo-Krieg,
auch wenn der Kriegskurs auf dem Bielefelder Parteitag am
13.Mai letztlich eine Mehrheit fand. Die Grüne Friedensinitiative
möchte an der Traditionslinie solcher GRÜNER Initiativen
anknüpfen und innerparteilich die friedenspolitische
Positionen stärken und den ideologischen Einfluss militärpolitisch
orientierten Denkens zurückdrängen.
Sie hat durchaus den Anspruch, Einfluss auf das innenpolitische
Klima in Deutschland und in der EU zu nehmen, denn die Entwicklungen
vollziehen sich zunehmend in internationalen Kontext. Da leider
nicht zuletzt die GRÜNEN in den vergangenen Jahren die
Beteiligung Deutschlands an mehreren Kriegseinsätzen
herbeigeführt haben, möchten wir einen spezifisch
GRÜNEN Gegenakzent setzen.
Die parlamentarische Mehrheit für alle Kriegseinsätze
der Bundeswehr war in den letzten Jahren ungefährdet.
Die immer wieder gemessenen Meinungsmehrheiten in der Bevölkerung
gegen Kriegseinsätze sind nicht gefestigt. Deswegen wollen
wir dafür arbeiten, dass aus Ad-hoc-Meinungen langfristige
friedenspolitische Überzeugungen werden. Wir wollen das
innerhalb und im Umfeld der GRÜNEN machen und so unseren
Beitrag zu einem friedlichen Deutschland leisten. Wir wollen
uns weiter für das Ziel engagieren, Deutschland zum internationalen
Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistenden zu machen.
Ostern 2007
Wilhelm Achelpöhler (KV Münster)
Uli Cremer (KV Hamburg-Eimsbüttel)
Birgit Ebel (NRW-Delegierte im Grünen Bundesfrauenrat)
Marianne Hürten (KV Köln)
Irmgard Pehle (KV Herford)
Kontakt:
Uli Cremer 0160 / 81 21 622
cremer@gruene-friedensinitiative.de
Wilhelm Achelpöhler 0171 / 17 17 392
achelpoehler@gruene-friedensinitiative.de
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