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Offener Brief an
Claudia Roth MdB, Bundesvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Reinhard Bütikofer, Bundesvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Winfried Nachtwei MdB


Ostermärsche 2007

Berlin, Ostermontag 2007

Liebe Claudia,
lieber Winni,

Ihr habt in einer Erklärung zu den Ostermärschen die Friedensbewegung scharf kritisiert. Ihr habt den Aufrufen zu den Ostermärschen ein „Armutszeugnis“ ausgestellt und erklärt: „Friedenspolitik in unserer globalisierten Welt ist komplizierter und schwieriger geworden. Eine Schwarz-Weiß-Sicht hilft hier nicht weiter. Heute braucht Friedenspolitik mehr neues Denken und Differenzierung.“

Ihr kritisiert eine „pauschale Ablehnung des Militärischen“ der Friedensbewegung, dieser fehle auch der positive Bezug auf die Vereinten Nationen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin Franziska Eichstädt-Bohlig ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen; für sie sind Ostermärsche „zum Ritual geworden” und „nicht mehr zeitgemäß“.

Lieber Reinhard,

du hast gesagt, dass wer z. B. alle Auslandseinsätze der Bundeswehr kategorisch ablehne, in deinen Augen keine Friedenspolitik betreibe. Die Grünen und die Friedensbewegung gehen danach – nicht nur zu Ostern – getrennte Wege.

Eure massive Kritik, gerade als führende VertreterInnen der Grünen, weisen wir zurück. „Kompliziert“ ist Friedenspolitik wohl vor allem für manche Grüne geworden. Das zeigte sehr deutlich die Auseinandersetzung um die Entsendung von Tornado-Flugzeugen der Bundeswehr nach Afghanistan, Flugzeuge, die die Kriegsführung der NATO im Süden Afghanistans unterstützen sollen. Die Grünen zeigten sich in einer Weise „differenziert“, die ihres Gleichen sucht. Eine knappe Mehrheit in der Bundestagsfraktion und eine etwas größere Mehrheit im Parteirat stimmte der Entsendung der Tornado-Flugzeuge zu, die Mehrheit des Bundesvorstandes lehnte sie ab. In einer Erklärung des Parteirates vom 5. März werden dann die Argumente aufgelistet, die jeweils für bzw. gegen den Tornadoeinsatz vorgebracht wurden.

Wir wollen nicht die gesamte Debatte um die Tornados nachzeichnen, wir wollen angesichts Eurer Forderung nach „mehr Differenzierung“ in den Stellungnahmen der Friedensbewegung aber unserem Wunsch nach etwas „mehr Eindeutigkeit“ in den Stellungnahmen unserer Führungsgremien Ausdruck geben. Gleichzeitig wären wir nicht überrascht, dass andere politische Gruppierungen nicht jenes Maß an Differenziertheit anstreben, wie es die Grünen derzeit bieten. Es ist weder Anspruch noch Aufgabe der Friedensbewegung, Optimierungsvorschläge für NATO-Operationen zu machen.

Auch der Ratschlag, friedenspolitische Aufrufe sollten einen positiven Bezug auf die Vereinten Nationen enthalten, kollidiert mit dem taktischen Verhältnis, das unsere Partei in den letzten Jahren zum Völkerrecht gepflegt hat: Wer mit dem Kosovo-Krieg 1999 und dem Afghanistan-Krieg 2001 (Beteiligung an der Operation Enduring Freedom) zwei völkerrechtswidrige Kriege unterstützt hat, sollte gegenüber der Friedensbewegung nicht den moralischen Zeigefinger heben. Wir erlauben uns außerdem den Hinweis, dass der von den UN legitimierte Irak-Krieg 1991 von den Grünen völlig zu Recht abgelehnt und zum Anlass für eine breite friedenspolitische Kampagne genommen wurde. Und wenn ihr von der Friedensbewegung einen positiven Bezug auf die UN erwartet, dann fordert dies doch bitte auch von Franziska Eichstädt-Bohlig ein, die im „Tagesspiegel“ vom 8. April aus dem nicht UN-mandatierten Kosovokrieg die einfache Lehre zieht: „Es reicht nicht immer aus, gegen jegliche militärische Einsätze zu sein.“

In diesem Falle erwarten wir nun auch „mehr Differenzierung“: Am Ende der außenpolitischen Debatte, die innerhalb der Partei in den Friedens- und Sicherheitspolitischen Kongress Ende des Jahres mündet, müssen differenzierte Antworten stehen.

Dass es nicht genügend „friedenspolitische Begleitung“ der zivilen Friedensförderung gebe, ist im Übrigen ein Vorwurf, der auf Bündnis 90/Die Grünen selbst zurückfällt: Zwar wurden unter Rot-Grün friedenspolitische Fortschritte, z. B. im „Aktionsplan zivile Krisenprävention“, erzielt. Deren finanzielle und personelle Ausstattung ist jedoch im Vergleich zu den Milliardenausgaben für Militär verschwindend gering. Insofern müssen sich die Grünen der zentralen friedenspolitischen Frage stellen: Wie können die zivilen Mittel der Krisenbewältigung aus dem Würgegriff des Militärischen befreit werden?

Wir möchten euch erinnern: In unserem Grünen Grundsatzprogramm erklären wir, dass bündnisgrüne Außenpolitik den Werten der „ökologischen Verantwortung, der Selbstbestimmung, der internationalen Gerechtigkeit, der Demokratie und des Friedens“ verpflichtet ist. Wenn wir unsere Politik nach diesen Werten gestalten wollen, ist die Friedensbewegung keine Gegnerin, sondern Verbündete.

Ostern 2007

Arvid Bell, Vertreter der Grünen Jugend im Bundeskoordinierungskreis von Attac
Stefan Ziller, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin
Paula Riester, Sprecherin Grüne Jugend Bundesverband
Wilhelm Achelpöhler, Kreisvorstandssprecher Bündnis 90/Die Grünen Münster
Sven Lehmann, Landesvorstand Bündnis 90/Die Grünen NRW
Julia Seeliger, Mitglied des Grünen Bundesparteirats
Birgit Ebel, NRW-Delegierte im Grünen Bundesfrauenrat
Uli Cremer, Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband Hamburg-Eimsbüttel
Nadine McNeil, Schatzmeisterin Grüne Jugend Bundesverband

Für Rückfragen:
Arvid Bell (arvid.bell@gruene-jugend.de, Tel. 0174-1938554)
Stefan Ziller (info@buero-ziller.de, Tel. 0177-7311337)

 

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